„Als wir das erste Mal dort waren, standen wir vor einem Rätsel: Wo war das KZ? Wir sahen uralte, rote Mauern, dazwischen sumpfige Gräben, in der Mitte eine kleine Stadt. Dass der ganze Ort ein Gefängnis gewesen war, konnten wir anfangs kaum glauben. Und was war das für eine Festung? Jeder Antwort führte zu neuen Fragen. Schnell wurde uns klar: Es gibt hier viel zu sehen, zu entdecken und zu erzählen. So viel, dass man ein ganzes Buch davon schreiben könnte.“

Und das haben sie getan: Uta Fischer und Roland Wildberg, die Macher von „Theresienstadt. Eine Zeitreise“.

Uta Fischer ist Stadtplanerin und Journalistin. Schon während ihres Studiums interessierte sie sich für die Geschichte von Theresienstadt/ Terezín. Doch dabei blieb es nicht: Seit mehr als zehn Jahren engagiert sie sich für die Stadt und die Gedenkstätte. Sie hat mehrere Jahre an Projekten der Stadtentwicklung in Terezín mitgewirkt. In dieser Zeit war Gelegenheit, sich mit dem Ort und seiner Geschichte noch mehr auseinanderzusetzen. Im Vordergrund stand dabei das Bestreben, auch das einzigartige bauhistorische Erbe Theresienstadts, welches bislang in der Öffentlichkeit nahezu unbekannt ist, zu würdigen und die interessierte Öffentlichkeit zu informieren.

Roland Wildberg ist Autor und Journalist. Er arbeitete als Redakteur unter anderem für „Die Welt“ und „Welt am Sonntag“. Im Auftrag der Stiftung Terezín konzipierte er mit Uta Fischer 2005 Teile einer internationalen Wanderausstellung über die Festungsstadt. Seitdem ist er unzählige Male zurückgekehrt, um ihre Geheimnisse aufzuspüren und zu fotografieren – vom Schleusenkanal bis zum Dachboden.

WILDFISCH wurde von Uta Fischer und Roland Wildberg 2004 gegründet. Das Medienbüro entwickelt Kommunikationsstrategien, Konzepte und Publikationen für Unternehmen und Institutionen. „Theresienstadt. Eine Zeitreise“ ist das erste Buch, das WILDFISCH verlegt hat.

Wo war hier denn das Ghetto?

Roland Wildberg und Uta Fischer

Die Autoren Roland Wildberg und Uta Fischer


Diese Frage wird in Theresienstadt/Terezín häufiger gestellt – auch uns haben Besucher der Stadt schon danach gefragt, mitten am Tag auf dem Hauptplatz. Bei Licht besehen, ist die Irritation vieler Touristen, ja mitunter selbst einiger ehemaliger Häftlinge, nur zu verständlich: Eine ganze Stadt als Gefängnis, das ist ja auch unfassbar.

Noch sind die Zeitzeugen unter uns, die das Verbrechen als Kind erlitten haben und davon erzählen können. Aber es ist absehbar, dass der Moment kommen wird, an dem niemand aus dieser Erlebnisgeneration mehr lebt. Für diese Zeit ist „Theresienstadt. Eine Zeitreise“ gemacht.

Über das Leiden und Sterben im Ghetto gibt es bereits unzählige Publikationen. Doch es gab bisher kein einziges Buch, das die ganze wechselvolle Geschichte dieser Stadt erzählt und auch den Weg zu den authentischen Orten des Ghettos und der Festungszeit weist. Diese Lücke zu schließen war unser Ziel. Durch zahllose Reisen nach Theresienstadt, Besuche in Archiven und Museen kamen wir ihm Jahr für Jahr naher.

Wir haben oft überlegt, ob es nicht besser wäre, wenn aus dem umfangreichen Recherchematerial zwei Bücher entstehen. Doch schließlich sind wir zu der Auffassung gelangt, dass es sich lohnt,die ganze Geschichte Theresienstadts in Händen zu halten. Denn ohne Festung kein Ghetto, ohne Kleine Festung kein Gestapo-Gefängnis und kein Internierungslager. Um Theresienstadts Funktion als Ghetto zu verstehen, muss man seine Festungsvergangenheit kennen.

Und die ist so präsent wie die Ghettogeschichte – Sie müssen sich nur die Zeit nehmen, sich alles anzuschauen. Nehmen Sie dieses Buch mit. Wir hoffen, dass es zumindest die wichtigsten Fragen beantwortet – natürlich auch die, wo das Ghetto war:

Hier überall.

Uta Fischer und Roland Wildberg
Berlin, im August 2011

Der Himmel über Theresienstadt

Theresienstadt und die Elbe aus der Luft. FOTO: WILDFISCH

Theresienstadt und die Elbe aus der Luft. FOTO: WILDFISCH

Von Anfang an war klar, dass wir für das Buch gute Luftaufnahmen benötigen würden.

Erst von oben erschließt sich die faszinierende Form der Festung, versteht man das ehemals uneinnehmbare Verteidigungssystem und begreift, warum Theresienstadt später als KZ ein so undurchdringliches Gefängnis war.

Mehr als ein Jahr mussten wir warten. Immer kam etwas dazwischen: Mal konnte das Flugzeug wegen eines Defekts nicht starten, mal hatte unser Auto bei der Anreise eine Motorpanne; doch zumeist war das Wetter schlicht ungeeignet.

An einem Nachmittag im April herrschten endlich perfekte Bedingungen: Der Himmel war tiefblau, kein Dunst trübte die Sicht, an den Bäumen spross das erste Laub. Vom Sportflughafen im nahen Rudnice an der Elbe holperte die Maschine – ein altes, einmotoriges Schulflugzeug – endlos über eine vorsintflutliche Rasenpiste, hob aber wider Erwarten schließlich doch noch ab. Der Pilot folgte einfach dem Flusslauf.

Über Theresienstadt schob er die Kanzel auf, wir flogen Cabriolet! In Schleifen brummten wir über der Festung herum, der eisige Fahrtwind fegte mir fast die Kamera aus der Hand, aus dem Cockpit duftete es nach Benzin. Und unter uns die Stadt mit Wällen, Bastionen, Kasernen und der Kirche, spielzeugklein und zugleich wie zum Greifen nah.

In 300 Meter Höhe vergingen 20 Minuten wortwörtlich wie im Flug. Als Belohnung drehte der Pilot noch eine kleine Schleife über das böhmische Vulkangebirge – unvergleichlich schön! Auf dem Rückflug zitterte ich vor Kälte. Aber es war geschafft!

Roland Wildberg